Arbeitsunfall Herztod - Herzschlag - Roman - Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit Rechtsanwälte Battenstein & Battenstein | Arbeitsunfall & Arbeitsunfälle

Arbeitsunfall Herztod


Die 13 - "Sie können der Nächste sein"
Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit

4. Plötzlicher Herztod


Herzschlag bei der Schweineschlachtung


Der bereits im Ruhestand befindliche E., welcher zugleich Jäger war, führte am Unfalltag für den ihm bekannten Landwirt P. eine Hausschlachtung durch. E. band das Schwein und schoß es. Der Bolzenschuß mißglückte, so daß sich das 2-Zentner-Schein beim Abstechen noch heftig bewegte. E. mußte das Schwein in knieender Haltung festhalten, um mit voller Kraft zustechen zu können. Bei diesem Vorgang setzte bei E. erhebliche Atemnot ein, er brach zusammen und verstarb binnen einer Stunde.

Der Verfassser betreute den Fall anwaltlich im anschließenden Sozialgerichtsverfahren.

Klage und Berufung blieben zunächst ohne Erfolg.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung der Hinterbliebenen ergab sich allerdings eine Besonderheit.

Der Verfasser hat noch vor Augen, wie der beisitzende Berufsrichter in einem Kleinkommentar blättert und sodann den Hinweis des Gerichts an die Hinterbliebenen herbeiführt, daß die grundsätzlich nach § 539 II RVO (Tätigkeit wie ein Versicherter) versicherte Schweineschlachtung nicht zu einer Lebenszeitverkürzung um wenigstens ein Jahr geführt hätte.

Dies wäre aber unabdingbare Voraussetzung für den Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaft.

Alle Hinweise des Anwalts halfen nichts.

Die Berufung der Hinterbliebenen wurde zunächst gewissermaßen abgeschmettert.

Dieser unbedingte Einwand des Gerichts, daß es der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht für
wahrscheinlich hielt, daß der Versicherte wenigstens ein Jahr länger gelebt hätte, wenn er nicht für den Landwirt P. das Schwein geschlachtet hätte, war in dieser Form ein absolutes Novum, was die Rechtsprechung anbetrifft.

Denn bei der Frage nach der Lebenszeitverkürzung um ein Jahr handelte es sich bis zu diesem Zeitpunkt um eine absolute Hilfsüberlegung im Grenzfall, wenn nicht anderweitig eine wesentliche Mitursächlichkeit beruflicher Art festgestellt werden konnte.Deshalb mußte Revision eingelegt werden.

Das negative Berufungsurteil hatte wegen der falschen Begründung keinen Bestand.

In erneuter Berufungsverhandlung erkannte die Berufsgenossenschaft dann an, nachdem der Rechtsstreit vom
Bundessozialgericht an das Landessozialgericht zurückverwiesen worden war.

Der unzulässige absolute Einwand, nur eine Lebzeitenverkürzung um wenigstens oder mehr als ein Jahr könnte die berufsgenossenschaftlichen Hinterbliebenenleistungen auslösen, entsprach objektiv offenbar altem
berufsgenossenschaftlichem Gedankengut aus dem Bergbau.

Es mag sein, daß dieses Gedankengut von dem ehemaligen Verbandsgeschäftsführer W. mitgetragen wurde.

Das Bundessozialgericht stellte also richtig (siehe SGB 1988, Seite 343):

"Die Frage der unfallbedingten Lebenszeitverkürzung stellt sich überhaupt nur, wenn die feststehende tödliche Folge der unfallabhängigen Krankheit bereits absehbar ist. Das LSG hat jedoch schon nicht festgestellt, daß die tödliche Folge der Herzerkrankung des Ehemannes der Klägerin zu 1. absehbar war. Die unfallbedingte Lebensverkürzung um ein Jahr bildet auch im übrigen keine Ausnahme von dem allgemeinen Ursachenbegriff der Unfallversicherung, sondern nur einen besonderen Anwendungsfall der in der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre. Für sie ist somit auch
kein Raum, wenn schon im übrigen die wertende Abwägung der zusammenwirkenden, zum Tode führenden Bedingungen die Schlußfolgerung ermöglichen, die Unfallfolgen seien eine Mitursache des Todes. (BSGE 25. 49, 50) Deshalb können Unfallfolgen den Tod des Versicherten verursacht haben, selbst wenn der Versicher- te auch ohne diese Unfallfolgen vor Ablauf eines Jahres verstorben wäre. Voraussetzung ist lediglich, daß sie den Eintritt des Todes wesentlich mitbewirkt haben. Die gegenteilige Auffassung des LSG würde dazu führen, daß z.B. ein Versicherter, der durch einen Sturz von einem Hochhaus tödlich verunglückt; dennoch nicht durch den Arbeitsunfall ums Leben gekommen wäre, wenn er unabhängig von dem Arbeitsunfall aufgrund eines Krebsleidens mit Sicherheit innerhalb eines Jahres nach diesem Unfall verstorben wäre (siehe auch Brackmann UV, Seite 489g)."

In anderen Worten:
Im Strafprozeß würde einTäter damit kein Gehör finden, die von ihm erschlagene ältere Dame hätte doch ohnehin nur noch ein paar Tage zu leben gehabt. In Fällen, in denen die Berufsgenossenschaft die Lebenszeitverkürzung um ein Jahr verneint, empfiehlt sich dringend, den Rechtsweg hier einzuschlagen.

Selbst als Hilfsüberlegung zur Feststellung einer Mitursächlichkeit erscheint die dahingehende Überlegung, nach einer Lebenszeitverkürzung um ein Jahr zu fragen, als höchst anfechtbar, jedenfalls wenn wir es mit dem Schutz des Lebens ernst meinen.

Ein weiterer Fehler hatte sich in das berufsgenossenschaftliche Verfahren eingeschlichen, und zwar nach der Zurückverweisung durch das Bundessozialgericht. Es wurde im gerichtlichen Beweisbeschluß, der nun mehr erging, gefragt, ob das Unfallereignis "zumindest gleichwertiger Ursachenfaktor wäre oder ob andere Teilursachen überwiegen würden?"

Hier begegnen wir wieder dem Strafprozeß.Im Strafprozeß werden aufgrund der Äquivalenztheorie alle Ursachen als gleich angesehen, aber nicht im realen Sinne, sondern im ideellen Sinne.

Dieser Gedanke aus dem Strafprozeß wird nun rechtsirrig in den Sozialgerichtsprozeß übertragen, allerdings mit der Besonderheit, daß man unversehens von der idellen Gleichwertigkeit von Ursachen abgeht und stattdessen eine reale Gleichgewichtigkeit der beruflichen Ursache fordert.

Demgegenüber ist es Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, daß auch eine prozentual, d.h. verhältnismäßig niedriger zu gewichtende Ursache sehr wohl wesentlich sein kann.

Die gerichtliche Fragestellung wurde im weiteren Berufungsverfahren allerdings auf anwaltlichen Einwand repariert und, wie gesagt, es wurde der Fall schließlich berufsgenossenschaftlich anerkannt.

Ende gut, alles gut?

Wieviele Fälle scheitern an der Frage nach der Gleichwertigkeit der beruflichen Ursache, wie diese heute noch in süddeutschen Beweisformularen der Gerichte üblich ist?

Man muß sich dies einmal vorstellen, eine berufliche Mitursache von einem realen Gewicht von 40 % soll außen vor bleiben, was die Anerkennung eines Arbeitsunfalls oder eines Berufskrebsfalls anbetrifft, etwa in dem Sinne, der Versicherte hätte zu 60 % geraucht und nur zu 40 % Asbest inhaliert.

Bei diesem Zusammenwirken von Rauchen und Asbest kennt man sogar einen multiplikativen Effekt.

Bei der Frage an Richter des Bundessozialgerichts, ab welchem realen Prozentsatz das Gewicht einer wesentlichen Mitursächlichkeit beruflicher Art erreicht ist, kursieren in den Fachkreisen Antworten, in denen Mitursachen von 20 oder 30 % Gewicht als nicht uner- heblich angesehen werden.

Man hüte sich vor den Rechenformeln in der Gewichtung von Mitursachen.Schon die erste Gewichtung in annähernd gleichwertig respektive die gerichtliche Fragestellung nach dem Vorliegen dieses Merkmals erweist einen nachgerade
kapitalen Rechtsirrtum.

Genauso irreführend ist die Lehre von der Verdoppelungsdosis, die uns im Berufskrankheitenbereich begegnet.

Was soll dann gelten, wenn das Risiko nicht verdoppelt wurde, sondern "nur" um ein Drittel, die Hälfte oder Dreiviertel erhöht wurde?

Auch letzteres paßt noch unter die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, wonach wesentliche Mitursächlichkeit entschädigungserheblich ist.

Die Fälle der Beispiele von Herzinfarkten am Arbeitsplatz können dahingehen, daß beispielsweise der Arbeitnehmer mit einem Herzinfarkt zusammenbricht, dem man in rüder Form die fristlose Kündigung aushändigt und dessen Existenz damit zerstört ist.

Die Rechtsprechung beschäftigte Fälle des Herzinfarktes bei Aufregung über freches Verhalten von Arbeitskollegen (angeblich überragend persönlichkeitseigene Reaktion ohne die Folge des Versicherungsschutzes).

Ein gutes Beispiel findet sich bei Podzun Der Unfallsachbearbeiter zitiert, Leitnummer 108, Seite 8 a:

"Erleidet ein Kraftfahrer während einer dienstlichen Fahrt infolge akuter Coronarinsuffizienz einen plötzlichen Herztod, so ist dieser jedenfalls dann die Folge eines Arbeitsunfalls, wenn sich der Versicherte an seinem Todestage in einer das normale Maß weit überschreitenden Streßsituation (termingebundene Fahrt bei extremen Winterwetter und mehrfachen Freischaufeln des Lastkraftwagens) befunden hat. Diese übermäßigen beruflichen Belastungen sind als rechtlich wesentliche Ursache selbst dann anzusehen, wenn bei dem Verstorbenen eine schon fortgeschrittene
Coronarsklerose vorgelegen hat. Erwägungen darüber, ob der Versicherte ohne diese Belastungen noch ein Jahr länger gelebt haben würde, bedarf es bei dieser Gelegenheit nicht (LSG Schleswig im Anschluß an BSG Band 22, Seite 200).

Hier wird gottlob nicht in Prozenten gerechnet, sondern nach der praktischen Lebenserfahrung die Wesentlichkeit der beruflichen Mitursache bestimmt. Ein Unfall kann dann noch plötzlich entstanden sein, wenn die schädigende Einwirkung längstens eine Arbeitsschicht einwirkt, gegebenenfalls im Sinne der Mitursächlichkeit.

Rechtsweghinweis:
Der Schweineschlachtungsfall weist darauf, daß nicht in jedem Fall das Sozialgerichtsverfahren kostenfrei ist.

In der ersten Berufungsverhandlung, die wie zitiert, gewissermaßen aus dem Ruder gelaufen war, verhängte das Berufungsgericht DM 100,-- sogenannter Mutwillenskosten nach § 192 SGG.

Es gibt Richter, die niemals Mutwillenskosten verhängen würden, und andere, die damit sehr schnell bei der Hand sind.

Im Rechtsweg kann dem Betroffenen überdies passieren, daß der Richter die Klagerücknahme erwartet, widrigenfalls man Mutwillenskosten aufzuerlegen gedenkt.

Dies ändert nichts daran, daß das Sozialgerichtsverfahren grundsätzlich kostenfrei ist.

Bei unbegründeter Androhung von Mutwillenskosten kann sich ein Richter dem Vorwurf der Besorgnis von Befangenheit ausgesetzt sehen.


** Die obigen rechtlichen Ausführungen stellen naturgemäß keine Rechtsberatung dar, sondern sollen lediglich als erste Information und Orientierung dienen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Rechtslage auch jederzeit ändern kann und die obigen Ausführungen insofern nicht in jedem denkbaren Fall die jeweils aktuellste Rechtslage darstellen können.

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