Arbeitsunfall - Überfall - Vergewaltigung einer Arbeiterin auf dem Heimweg | Arbeitsunfall & Arbeitsunfälle

Überfall auf dem Heimweg


Die 13 - "Sie können der Nächste sein"
Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit

7. Überfall


Vergewaltigung einer Arbeiterin auf dem Heimweg

Nach dem Hinweis bei Lauterbach zu § 8 SGB VII soll angeblich folgender Grundsatz gelten:

"Überfälle, Streitigkeiten, Raufhändel fallen nicht unter den Versicherungsschutz, es sei denn, daß der Überfall, der Streit oder die Rauferei in innerem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit steht."

Dies kann so nicht stehen bleiben. Wird der Versicherte auf der Betriebssättte überfallen, braucht nicht ein innerer betrieblicher Zusammenhang festgestellt zu werden.

Der Verletzte brauchte sich auch nicht unbedingt aus betrieblichen Gründen an der Stelle aufzuhalten, an der
der Überfall erfolgte. Für Wegeunfälle wird aber dann auch bei Lauterbach am angegebenen Ort eingeschränkt, obwohl auch hier zunächst angemerkt wird, daß grundsätzlich dieselben Überlegungen wie bei Unfällen im Unternehmen selbst gelten würden.

Wie will man vom bezeichneten Grundsatz her den Überfall der RAF auf das Schleyer-Fahrzeug richtig würdigen, was den erschossenen Fahrer anbetrifft? Dieser Fall sei als plastisches Beispiel dargestellt. Wie dieser Fall berufsgenossenschaftlich behandelt wurde, ist aus der Fachliteratur allerdings nicht so ohne weiteres ersichtlich.

Grundsätzlich sollte man von der Kausalitätsnorm ausgehen und von dem Begriff des Arbeitsunfalls, so wie er heute sogar im Gesetz verankert ist:

Arbeitsunfall ist danach "ein Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und zwar in Form eines zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt." § 8 Absatz 1 SGB VII

Daß wesentliche Mitursächlichkeit ausreicht für die Bejahung des Versicherungsschutzes, ist gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Wenn der Gesetzgeber nun die Arbeitsunfalldefinition selber geben wollte, hätte dieser Hinweis ohne weiteres auch eingeführt werden können.

Der unterlassene Hinweis ändert aber nichts an dem entstandenen Gewohnheitsrecht.

Haben persönliche Gründe, etwa politische Feindschaft oder ähnliches, zu dem Überfall geführt, und läßt sich feststellen, daß die Wegeverhältnisse den Überfall wesentlich begünstigt haben, besteht Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaft.

Ein solcher Fall mag vorliegen, wenn die Täter dem Überfallenen hinter einer Unterführung auflauerten.

Auch ein Brandanschlag auf ein Ausländerwohnheim für Beschäftigte auf dem Betriebsgelände kann aus dem Gesichtspunkt des so bezeichneten betrieblichen Zusammenhangs den Versicherungsschutz für die verletzten Mitarbeiter auslösen.

In BSG Band 17, Seite 75 wird ausdrücklich auf die besonderen Verhältnisse des Weges hingewiesen, die einen Überfall begünstigen können.

Zum oben bezeichneten Fall:
"Eine Arbeiterin war nach Schichtschluß auf dem Heimweg von einem Sittlichkeitsverbrecher ermordet worden. Das BSG (BG 1963, Seite 254) hat Unfallversicherungsschutz bejaht, weil die Beweggründe des Täters weder durch rein private noch durch betriebsbedingte Beziehungen zur Überfallenen beeinflußt worden waren. Es handele sich um das Notzuchtverbrechen eines Täters, der zum Angriff gegen die erstbeste ihm begegnende Frau entschlossen war und den mit der Ermordeten keinerlei Beziehungen verbanden. Anschlä- ge dieser Art - wie auch Raubüberfälle - Dumme-
jungenstreiche und sonstige Gewalttaten geistesgestörter oder krimineller Angreifer - sind dadurch gekennzeichnet, daß außerbetriebliche Beziehungen zwischen Täter und Angegriffenem, welche den inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verdrängen könnten, nicht vorgelegen haben."

Der Einwand, die Betroffene hätte auch auf einem privaten Weg am Wochenende vergewaltigt werden können, zieht also nicht.

Mit derart hypothetisch - reserveursächlichen Einwänden haben die Betroffenen aber nicht selten zu rechnen, wenn es an die berufsgenossenschaftliche Entscheidung eines solchen Falles geht.

Die Tatsache, daß es zu einem BSG-Urteil kommen mußte, deutet darauf, daß erst geklagt werden mußte, bis daß der Versicherungsschutz anerkannt wurde.

Andererseits soll angeblich eine Schwesternschülerin, die von ihrem Freund während der Arbeitszeit im Flur des Krankenhauses tätlich angegriffen wird, selbst dann nicht unter Versicherungsschutz gestanden haben, wenn sie sich sonst bemüht hat, dem Freund auszuweichen und er sie während der Arbeitszeit am ehesten hat erreichen können (LSG Hamburg in Breithaupt 1975, Seite 1O4).

Der Leser mag seine eigene praktische Lebenserfahrung bemühen und sich befragen, ob hier ein wesentlicher Zusammenhang besteht.

Vor Jahrzehnten soll es in Bagdad vorgekommen sein, daß man kurzerhand die anwesenden Ausländer erschlug und darunter auch entsandte deutsche Mitarbeiter waren.

Versicherungsschutz besteht in solchen Krisensituationen selbst dann, wenn der Betreffende einer privaten Tätigkeit nachging, als er gegriffen wurde.

Der Überfall auf einen Piloten auf dem Rückweg vom Restaurant zur Unterkunft auf Mallorca stand ebenfalls unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung.

Als wichtig ist in diesem Zusammenhang anzumerken, daß das deutsche Arbeitsverhältnis bei Einsatz des Mitarbeits im Ausland dahin ausstrahlen kann, mit der Folge, daß der Versicherungsschutz erhalten bleibt.

Auch hat das etwa in Südamerika erhöhte Überfall und Mordrisiko zu berufsgenossenschaftlicher Anerkennung des Versicherungsfalls in Deutschland führen können.

Überfälle auf deutsche Geschäftsreisende in Rußland sind ebenfalls keine Seltenheit.

In Fällen dieser Art hilft wiederum der Maßstab der sogenannten finalen Handlungstendenz nicht weiter, weil die Betroffenen durchaus einer privaten Tätigkeit nachgehen können auf der gefahrbringenden Geschäftsreise im Ausland und sich des Überfalls und dessen Risiko nicht bewußt sein mögen.

Vom Kausalitätsgesichtspunkt her kommt es darauf auch sicher nicht an, wie die ältere Rechtsprechung zeigt.

Rechtsweghinweis:
Wird der deutsche Geschäftsreisende etwa in Rußland derart verletzt, daß seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben ist, kann bei einem Jahresbruttoeinkommen von DM 12O.OOO,-- die Verletztenvollrente DM 8O.OOO,-- ausmachen.

Wird der Geschäftsreisende bei dem Überfall getötet, können die Hinterbliebenenansprüche von Witwe und zwei Waisen DM 96.OOO,-- ausmachen.

Kapitalisiert mag ein solcher Fall die Berufsgenossenschaft ca. eine Million Deutsche Mark kosten. Dies mag in zahlreichen Fällen erklären, warum die Berufsgenossenschaft derart vielfältige Einwände gegenüber dem Versicherungsschutz vorbringen.

Als Grundsatz hat demgegenüber zu gelten, daß die Entschädigung in einem Todesfall, gleich ob Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit binnen eines Monats zu stehen hat, was in den meisten Fällen ohne weiteres möglich ist.


** Die obigen rechtlichen Ausführungen stellen naturgemäß keine Rechtsberatung dar, sondern sollen lediglich als erste Information und Orientierung dienen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Rechtslage auch jederzeit ändern kann und die obigen Ausführungen insofern nicht in jedem denkbaren Fall die jeweils aktuellste Rechtslage darstellen können.

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