I. Der Sozialgerichtsprozeß (Klage, Berufung, etc.)
10. Der Beweisbeschluß
10.1 Darf das Gericht eine Gleichwertigkeit der beruflichen Ursache im Beweisbeschluß zur Voraussetzung machen?
In einer solchen Anforderung liegt ein grober Fehlansatz. Damit wird zu Unrecht eine 50 %-Hürde aufgerichtet.
10.2 Genügen auch 30 %-ige Ursachen beruflicher Art?
Auch verhältnismäßig niedriger zu wertende berufliche Mitursachen können wesentlich sein.
10.3 Darf das Gericht im Todesfall eine Lebzeitenverkürzung um 1 Jahr zur absoluten Entschädigungsvoraussetzung machen?
Auch diese Hürde bedeutet in dieser Form einen schweren Fehlansatz in der Fragestellung.
10.4 Kann das Gericht den Strengbeweis fordern bei der Frage, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden beläuft?
Der Strengbeweis verbietet sich auf Grund der Vorschriften der §§ 202 Sozialgerichtsgesetz, 287 Zivilprozeßordnung.
11. Der gerichtliche Verfahrensvergleich mit der Behörde
Es stellt sich heraus, daß Sie im Klageverfahren nicht weiterkommen, welches Sie wegen des Ablehnungsbescheides der Berufsgenossenschaft angestrengt haben. Das Sozialgericht hat Ihre Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen des Urteils lakonisch auf die Gründe im Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft Bezug genommen.
Frage: Halten Sie eine solche Praxis für zulässig, daß das Sozialgericht statt eigener Begründung auf den Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft Bezug nimmt?
Leider ist dies inzwischen durchaus verbreitet und diese Praxis wird auf eine Ermächtigung im Sozialgerichtsgesetz gestützt. Weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht haben ein Gutachten eingeholt. Sie können im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung nachweisen, daß die Berufsgenossenschaft die nächstliegenden Ermittlungen nicht angestellt hat, ob es sich um Ihre Tätigkeit im Lärm handelt oder um eine solche im Asbeststaub. Es ist gut möglich, daß die weiteren Erhebungen arbeitstechnisch zu Ihren Gunsten verlaufen.
Frage: Sollen Sie darauf bestehen, daß das Gericht weiter ermittelt, oder können Sie erreichen, daß die Sache noch einmal von Anfang an von der Berufsgenossenschaft bearbeitet wird?
Tip: Regen Sie in einem solchen Fall einen Verfahrensvergleich an in dem Sinne, daß die Berufsgenossenschaft ihren Ablehnungsbescheid zunächst zurücknimmt und weitere Ermittlungen zusagt, nach deren Abschluß wiederum ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid erteilt werden soll.
Vorsicht: Nimmt die Berufsgenossenschaft bei einer solchen Regelung den Ablehnungsbescheid nicht zurück und sagt diese nur einen Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X zu, werden Ihnen weiter als 4 Jahre zurückliegende Leistungsansprüche abgeschnitten, gerechnet vom Jahr des Überprüfungsantrages aus.
Also noch einmal der
Tip: Bestehen Sie bei einer Überprüfungsregelung im Verfahrensvergleich auf der Rücknahme zugleich des Ablehnungsbescheides der Berufsgenossenschaft, was diese nichts kostet. Denn dann befinden Sie sich wieder im ursprünglichen Feststellungsverfahren.
Erstaunlicherweise sieht allerdings oft das Sozialgericht oder das Landessozialgericht keinen Anlaß, daß der Ablehnungsbescheid zurückzunehmen wäre, der Weg über § 44 SGB X wäre ausreichend. Dies erschwert die Verhandlung eines angemessenen Verfahrensvergleichs außerordentlich, mit dem Sie allerdings in der Sache noch nichts gewonnen haben. Gerade aber in Berufskrankheitssachen kann die Zeit für Sie arbeiten, weil sich neue Erkenntnisse einstellen, welche die Wissenschaft bislang nicht hatte.
12. Wann empfiehlt sich für Sie ein Prozeßvergleich in der Sache selbst?