Bronchitis oder Emphysem durch Feinstaub – Atemwegserkrankung durch Staub

B. Versicherungsfälle: Berufskrankheit und Arbeitsunfall


5.3.10 Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren ((mg/Kubikmeter) x Jahre), BK Nr. 4111

Zu dieser neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommenen Berufskrankheit stellt sich nachgerade zuerst die

Frage: Warum hat man die Gießereiarbeiter an dieser Berufskrankheitennummer nicht teilnehmen lassen, obwohl doch diese Berufsgruppe sehr wohl entsprechenden Belastungen unter Hitzeeinwirkung und körperlicher Schwerarbeit ausgesetzt ist?

Offenbar hat man nur hinsichtlich der Bergleute geprüft, worauf das dem Merkblatt beigegegebene Literaturverzeichnis hinzuweisen scheint. Aus einer Reihe epidemiologischer Untersuchungen sei ableitbar, daß bei der Personengruppe der Bergleute nach einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren gegenüber der übrigen Bevölkerung eine Risikoverdoppelung auftritt, an einer chronischen obstruktiven Bronchitis oder einem Emphysem zu erkranken.

Vorsicht: Hier haben wir sie wieder, die 50 %-Hürde, die man gegen die Anerkennung einer Berufskrankheit aufgebaut hat. In deutschen Gesetzen findet die Anforderung einer Risikoverdoppelung keine Stütze. Gleichwohl dient sie in der Praxis dazu, wesentliche Kausalitäten verneinen zu können, z.B. in Fällen, wo das Risiko „nur“ um 40 % erhöht ist.

Wesentlich mitursächlich können also auch 50 sogenannter Feinstaubjahre sein, wenn man also dem mehr monokausalen Ansatz des Berufskrankheitenrechts nicht zu folgen bereit ist.

Tip: Der Fehler, bei der Verordnungsgebung hier eine 50 %-Hürde errichtet zu haben, ist nur über die Öffnungsklausel des § 551 II RVO respektive § 9 II SGB VII auszubügeln, welche Vorschrift als formelles Gesetz nicht etwa durch eine zu kurz greifende Erweiterung der Berufskrankheitenliste ausgehebelt werden könnte.

Um diese neue Bergarbeiter-Bronchitis rankt sich inzwischen nachgerade ein Abenteuerroman.

Fälle: Bergleute, die an einem Bergarbeiteremphysem litten, erhielten bereits von der Berufsgenossenschaft Vorschüsse auf eine Berufskrankheit nach § 551 II RVO. Als dann die Erweiterung der Berufskrankheitenliste um diese Fälle erfolgte, und zwar mit der Stichtagsregelung, Fälle nach dem 31.12.1992, wollte die Berufsgenossenschaft von einer Anerkennung nichts mehr wissen und stoppte die aufgenommenen Zahlungen, obzwar die Anspruchsgrundlage des § 551 II RVO bzw. § 9 II SGB VII vom Gesetzgeber keineswegs aufgehoben worden ist.

Fälle dieser Art befinden sich nunmehr in Rechtsstreiten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. Es gibt keine vernünftige Begründung dafür, warum denn nun Fälle aus der Zeit vor dem Stichtag, wo also der Versicherungsfall beispielsweise in 1985 aufgetreten ist, ausgenommen sein sollen von der Entschädigung. Die Aufsichtsbehörde, das Bundesversicherungsamt, hat sogar die Bergbau-Berufsgenossenschaft verpflichtet, „in allen Fällen, in denen aufgrund der vorgreiflichen Anwendung der Stichtagsregelung, § 6 der BKV in der Fassung vom 31.10.1997 der Antrag der Versicherten auf Entschädigung der chronischen obstruktiven Bronchitis oder des Emphysems von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau nach § 551 II RVO bzw. § 9 II SGB VII abgelehnt wurde, die Feststellungsverfahren mit dem Ziel wieder zu eröffnen, den Betroffenen im Wege des Schadensersatzes die im einzelnen zu ermittelnden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, § 839 BGB, Art. 34 Grundgesetz.“ Dessen, d.h. des Schadensersatzes, bedürfte es dann nicht, wenn man nun endlich erkennen würde, daß die Rechtsprechung des BSG zu § 551 II RVO, im Falle der Erweiterung einer Berufskrankheitenliste dürfte man nicht weiter § 551 II RVO für die Fälle aus der Vergangenheit anwenden, nicht zu halten ist und in absolutem Widerspruch zur Praxis der letzten Jahrzehnte steht. Dem Vernehmen nach hat die Berufsgenossenschaft Klage gegen den Verpflichtungsbescheid des Bundesversicherungsamtes erhoben.

Fazit: Nicht nur Gießereiarbeiter werden von der überfälligen Entschädigung ausgenommen. Man wehrt sich offenbar berufsgenossenschaftlich nunmehr gewissermaßen mit Händen und Füßen gegen die Entschädigung der Fälle, die vor dem Stichtag 01.01.1993 liegen und damit nicht selten gar nicht weit zurück.

Aber derart kapitale Fehlleistungen von Rechtsprechung und Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaften zeigen sich auch sogar in weitgehend vergleichbarer Konstellation bei den Asbestlungenkrebsfällen, wo der Nachweis von 25 Asbestfaserjahren oder gar 60 solcher Asbestfaserjahre dann nicht genügen soll, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.04.1988 aufgetreten ist. Dann mögen die minderjährigen Kinder des Berufskrebskranken gerade erst 11, 12 oder 13 Jahre alt und trotz des beruflichen Zusammenhangs der Berufskrankheit des Vaters der Sozialhilfe ausgeliefert sein.

Zur noch nicht repräsentativen Statistik der BK Nr. 4111:

1997 wurden erst 174 Fälle angezeigt und 12 Fälle wurden neu berentet.

5.3.11 Exogen-allergische Alveolitis, BK Nr. 4201

Hierzu gehören die Farmerlunge, die Vogelhalterlunge, die Befeuchterlunge und möglicherweise auch z.B. die Malzarbeiterlunge, die Pilzarbeiterlunge, die Käsewascherkrankheit, die Tabakarbeiterlunge, die Kaffeearbeiterlunge, die Polymeren-Kunststoff-Lunge usw., wobei je nach Erkrankung die Anforderungen unterschiedlich sein können.

Tip: Treten erste berufliche Beschwerden auf nach kurzer beruflicher Exposition, mag der Schaden noch nicht schwer sein. Gleichwohl kann dann Anspruch auf Übergangsleistungen bestehen, weil die gefährdende Tätigkeit aufgegeben werden mußte. Der Minderverdienst für 5 Jahre ist dann von der Berufsgenossenschaft auszugleichen.

Alveolitiden sind akute, subakute und chronische Lungenentzündungen, die durch eingeatmete Antigene verursacht werden und zur Lungenfibrose neigen. Die Farmerlunge tritt bevorzugt in regenreichen Gebieten (Alpenrand, Küstengebiete) auf. Gefährdet sind vor allem Personen, die den Staub von verschimmeltem Futter und Einstreumitteln, Heu, Stroh u.a., einatmen. Der Staub, der sich bei der Geflügelhaltung oder Weiterverarbeitung der Federn entwickelt, kann eine Vogelhalterlunge hervorrufen. Die Befeuchterlunge wird vorwiegend in Druckereibetrieben, vereinzelt auch in vollklimatisierten Arbeitsräumen beobachtet. Seltenere berufliche Gefahrenquellen sollen sein die Züchtung von Speisepilzen, die Verwendung von Isocyanaten zur Herstellung von Polyurethanen, Lacken und Klebstoffen, der Einsatz von Phthalsäure- und Trimellith-Anhydrid für die Produktion von Epoxidharzen und als Weichmacher, die Lagerung von Obst. Man spricht im weiteren von einer Holzstaublunge. Die vorstehenden Belastungen können zudem eine Lungenfibrose hervorrufen, eine obstruktive Bronchiolitis, eine respiratorische Insuffizienz, ein Cor pulmonale.

Die Statistik spiegelt sicher nicht das tatsächliche Aufkommen der Erkrankungen. Jährlich werden über 250 Fälle bei der Berufsgenossenschaft angemeldet. Die neuen jährlichen Rentenfälle schwanken zwischen 70 und 90 neuen Fällen. Die Dunkelziffer dürfte beträchtlich sein.

5.3.12 Erkrankung der tieferen Atemwege und der Lungen durch Rohbaumwoll-, Rohflachs- oder Rohhanfstaub (Byssinose), BK Nr. 4202

Wenngleich offenbar nicht häufig auftretend, handelt es sich doch um eine bemerkenswerte Bronchial-Lungen-Erkrankung, die durch Einatmung von Stäuben mit Pflanzenteilen auftritt, wie sie bei der Produktion von Textilien aus Rohbaumwolle, Rohflachs oder Rohhanf entstehen. Gefährdet sind Arbeiter, die in Vorreinigungsbereichen, Mischräumen, Putzereien, Batteur- und besonders Kardenräumen, von Baumwoll- oder Flachsspinnereien (Hechelräumen) oder mit der Zubereitung (z.B. Ausklopfen) von verrotteten Hanfpflanzen (Cannabis sativa) beschäftigt sind. Gelegentlich wird die Byssinose auch in den Spinnereiräumen angetroffen. Der Staub von ungereinigter Rohbaumwolle, Rohflachs oder verrotteten Hanfpflanzen, der durch Inhalation in die tieferen Atemwege und in die Lungen gelangt, enthält verschiedene Pflanzenteile, z.B. Stengel, Blätter und Samenhüllblätter der Baumwollpflanze. Darin konnte ein toxisch wirksames Potential nachgewiesen werden, das möglicherweise von polyphenolischen Gerbsäuren herrührt, die kontrahierend auf die glatte Muskulatur wirken. Die Wirkungsmechanismen sind offenbar nicht bis ins letzte geklärt. Die Gründe für die oft langjährige Latenz zwischen dem Beginn der Exposition und dem Auftreten der Beschwerden scheinen ebenso wenig geklärt.

Am ersten Arbeitstag im Anschluß an eine mindestens 1- bis 2-tägige Arbeitspause (Wochenende, Urlaub) entwickelt sich nach mehrstündiger Staubexposition die sogenannte Montagssymptomatik. Sie besteht in Atemnot, Engegefühl in der Brust bei der Atmung, Hitzegefühl und allgemeiner Abgeschlagenheit. Die Byssinose kennt 3 Stadien. Im 3. Stadium findet sich klinisch und funktionell eine chronische obstruktive Bronchitis, die durch Lungenemphysem und Hypertrophie des rechten Herzens kompliziert sein kann. Die Montagssymptomatik erleichtert zugleich die Abgrenzung gegen das allergische Asthma Bronchiale, BK 4301.

Tip: Denken Sie bei ersten Beschwerden daran, daß Sie bei Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit Anspruch auf Übergangsleistungen haben können, auch wenn sich noch keine dauernde Berufskrankheit in Form der Byssinose eingestellt hat.

  5.3.13 Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Stäube von Eichen- oder Buchenholz, BK Nr. 4203
5.3.14 Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, BK Nr. 4301

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