Berufskrankheit – Hauterkrankungen – Arbeitsstoffe

B. Versicherungsfälle: Berufskrankheit und Arbeitsunfall


5.3.15 Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, BK Nr. 4302

Tip: Kommen Sie beruflich mit chemischen Noxen in Form von Gasen, Dämpfen, Stäuben, Rauchen in Berührung und müssen Sie wegen Atemnotanfällen prophylaktisch die gefährdende Tätigkeit einstellen, haben Sie Anspruch auf Übergangsleistungen (Verdienstausfall für 5 Jahre), selbst wenn eine chronische Berufskrankheit noch nicht entstanden sein sollte.

Gefahrenquellen sind leicht flüchtige organische Arbeitsstoffe, z.B. Acrolein, Äthylenimin, Chlorameisensäureäthyl-ester, Formaldehyd, Phosgen, schwer flüchtige organische Arbeitsstoffe, z. B. einige Härter für Epoxidharze, bestimmte Isocyanate, Maleinsäureanhydrid, Naphthochinon, Phthalsäureanhydrid, p-Phenylendiamin, leicht flüchtige anorganische Arbeitsstoffe, z. B. Nitrose Gase, einige Phosphorchloride, Schwefeldioxid, schwer flüchtige anorganische Arbeitsstoffe, z. B. Persulfat, Zinkchlorid, Beryllium und seine Verbindungen (BK Nr. 1110), Cadmiumoxid (BK-Nr. 1104), Vanadiumpentoxid (BK-Nr. 1107).

Fall: Eine Arbeiterin ist isocyanatbelastet durch noch heiße Matratzenrohlinge aus Schaumstoff und bricht mit Atemnotanfällen am Arbeitsplatz zusammen. Hier fallen Übergangsleistungen an und gegebenenfalls eine Verletztenrente.

Im Vordergrund der Erkrankung stehen akut oder schleichend einsetzende Beschwerden in Form von Husten, Auswurf, Atemnot und vereinzelt Brustschmerzen. Im Mittelpunkt des Krankheitsbildes steht die Atemwegsobstruktion in Verbindung mit einer Lungenüberblähung. Schwere Schäden können verbleiben, die auch nach Expositionsende irreversibel sind. Als Komplikationen treten Bronchopneumonien und das chronische Cor pulmonale auf. Im chronischen Erkrankungsstadium bestehen Beschwerden und Befunde unabhängig von der beruflichen Exposition.

Vorsicht: Es gibt Gutachter, die den beruflichen Zusammenhang verneinen, wenn das Bronchialasthma nach Expositionsende sich nicht bessert oder gar verschlimmert. Hier verwechseln die Gutachter offenbar das allergische mit dem chemisch-toxischen Bronchialasthma.

Ob Provokationstests mit Arbeitsstoffen erforderlich sind und zumutbar, erscheint als heftig umstritten. Liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor und das entsprechende Krankheitsbild, braucht der Zusammenhang nur wahrscheinlich zu sein. Ein Strengbeweis darf diesbezüglich nicht gefordert werden.

Fall: Die Formaldehydbelastung einer Krankenschwester kann zu einem beruflichen Bronchialasthma führen.

Bei einem Schädlingsbekämpfer, der infolge dessen schwer erkrankte, ergab sich eine hohe MdE.

Zur Statistik:

Jährlich werden bis zu 2.500 Fälle angezeigt und an die 300 neu berentet.

5.3.16 Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, BK 5101

Eine häufig gemeldete Berufskrankheit ist die Kontaktallergie der Haut. 90 % aller Berufsdermatosen bzw. beruflichen Hauterkrankungen treten als Kontaktekzem auf. Dabei scheint es mehr den Gutachter zu verwundern als den Berufskrankheitssachbearbeiter, daß allergisch auf Arbeitsstoffe erst recht derjenige reagiert, der vom Hauttypus her gesehen von vorn herein anfällig ist.

Fall: Auszubildende im Friseurhandwerk zeigt erste Zeichen einer Kontaktallergie.

Muß die werdende Friseuse die gefährdende Tätigkeit aufgeben, so mag die Kontaktallergie noch nicht schwer oder wiederholt rückfällig sein und deshalb noch kein Anspruch auf Verletztenrente bestehen.

Tip: Beantragen Sie als Betroffene aber in jedem Fall Berufshilfemaßnahmen bei der Berufsge-nossenschaft und Übergangsleistungen nach § 3 der Berufskrankheitenverordnung.

Die Berufsgenossenschaft ist nämlich bereits im Vorfeld der Entstehung einer Berufskrankheit aus Gründen der Berufskrankheitsverhütung eintrittspflichtig, § 3 Abs. 1 der Berufskrankheitenverordnung. Gefährdet können Krankenschwestern sein, die eine Formaldehydallergie entwickeln, Zahnarzthelferinnen, die auf Handschuh und Werkzeug allergisch reagieren, Arbeiter im Umgang mit Ölen. Die Verletztenrente hängt einmal davon ab, wie stark die Hauterscheinungen sind, leicht, mittel oder schwer. Zum anderen wirkt sich auf die MdE aus, ob der schädigende Berufsstoff wenig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. weit verbreitet oder sehr weit in der Arbeitswelt verbreitet ist. In der Praxis der Berufsgenossenschaften ist eine MdE-Tabelle gebräuchlich, in welcher dann abgestuft wird in geringgradige Auswirkungen der Allergie, in mittelgradige oder schwerwiegende Auswirkungen. Die Rentensätze bei anerkannten beruflichen Hauterkrankungen mögen in den Rentenfällen im Schnitt bei 30 % MdE liegen.

Hinweis: In der Fachliteratur wird darauf hingewiesen, daß beruflich Hautkranke ihr Leiden auch vor Begutachtungen in einem Maße beeinflussen könnten, wie es bei anderen Erkrankungen kaum der Fall ist.

Nach der Rechtsprechung soll es überdies keine die Entziehung der Rente rechtfertigende Änderung sein, wenn der Betroffene altersbedingt aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Nimmt ein Hautkranker, der die Rente von der Berufsgenossenschaft bezieht, die gefährdende Tätigkeit wieder auf, droht der Verlust der Berufsgenossenschaftsrente. Verlassen Sie sich nicht auf den Fortbestand Ihrer Verletztenrente bei einer beruflichen Hauterkrankung, wenn Sie Ihre Zukunft planen. Kontaktallergien ebben ab, wenn der Kontakt zu den Berufsstoffen aufhört. Deshalb sind die Übergangsleistungen umso wichtiger, d.h. der Ausgleich des Verdienstausfalls für die ersten 5 Jahre nach Tätigkeitsaufgabe. Diese Übergangsleistungen sind neben der Verletztenrente zu gewähren. Bedingt aber die Berufsallergie, daß Sie nunmehr in mittelbarer Folge dessen auf Kontakte im Privatbereich allergisch reagieren, muß dies bei der MdE-Festsetzung Berücksichtigung finden.

Statistik:

Jährlich werden gut 20.000 Verdachtsfälle einer beruflichen Hauterkrankung gemeldet. Im Jahresschnitt werden jährlich ca. 700 berufliche Hauterkrankungen neu berentet.

Vorsicht: Die Dunkelziffer bleibt offen, in welchen Fällen einer Berufsgenossenschaft die berufliche Hautallergie gemeldet wird, die Berufsgenossenschaft aber gleichwohl nichts veranlaßt.

Der Betroffene sucht sich gegebenenfalls selbst eine neue Arbeit oder geht in Umschulung, ohne von seinen Ansprüchen gegen die Berufsgenossenschaft zu wissen und ohne zu ahnen, daß der Berufshelfer der Berufsgenossenschaft hier tätig werden muß.

 5.4 Die Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall (Öffnungsklausel)
5.4.1 Die 50 % – Hürde
5.4.2 Lungenkrebs durch lungengängige Quarzstäube etwa der Bergleute
5.4.3 Rückwirkender Ausschluß der Entschädigung von Fällen aus der Vorzeit einer Erweiterung der Berufskrankheitenliste?

Unfälle am Arbeitsplatz