Nr. 9 „Personen, die selbstständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind“
Man beachte zuvor die Ausnahme des § 4 III SGB VII: Von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. I Nr. 9 sind frei selbständig tätige Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker und Apotheker.
Zum Gesundheitswesen gehören nicht etwa ein Beerdigungsinstitut oder die Stadtentwässerung, wohl aber die Öffnung und Untersuchung von Leichen beispielsweise und die gleichzeitige oder spätere histologische Untersuchung von Gewebeteilen.
Versicherungsschutz nach Nr. 9 kann also für Hebammen, Wochenbettpflegerinnen, Krankenpfleger, Geisteskrankenpfleger, Heildiener, Heilgymnasten, Masseure, Fußpfleger, Desinfektoren, Schädlingsbekämpfer, Leichenbeschauer bestehen.
Fall: Ein Schädlingsbekämpfer zieht sich durch das Versprühen von chemischen Mitteln ein schweres obstruktives Bronchialasthma zu, Berufskrankheit nach Nr. 4302.
Auch die Famuli, das sind Medizinstudenten, die in einer Klinik Dienst leisten, sollen nach Abs. 1 Nr. 9 versichert sein.
Wohlfahrtspflege bedeutet die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich notleidende oder gefährdete Mitmenschen. Auch Maßnahmen der Altenhilfe gehören zur Wohlfahrtspflege.
Kritisch wird es, wenn es um Hilfs-, Pflege- und Betreuungsmaßnahmen als Akte innerfamiliären Beistandes zwischen Ehegatten und im Verhältnis von Eltern zu Kindern geht. Eine Krankenschwester, die an ihrem Vater Pflegedienst verrichtet, soll hierbei auch dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn hierdurch dessen Hausarzt entlastet wird. Von der Rechtsprechung wird dies dem privaten familiären Lebensbereich zugeordnet. Hiervon aber kennt die Rechtsprechung Ausnahmen.
Unfallversicherungsschutz zugunsten der pflegenden Personen soll bestehen, wenn die Pflegeanforderungen durch die Schwere der Krankheit und Behinderung sowie durch das fortgeschrittene Alter des zu pflegenden Kindes weit über die Volljährigkeitsgrenze so hoch sind, daß sie die Kräfte und Qualifikationen einer ganztägigen, berufsmäßigen Pflegeperson erfordern. Diese Ausnahmen mögen den mitunter familienfeindlichen Standpunkt in der gesetzlichen Unfallversicherung mildern, den wir neuerdings auch bei Familienangehörigen im Rahmen von Handreichungen nach
§ 2 II SGB VII erleben, und zwar bei Unfällen oder Berufskrankheiten helfender Familienangehöriger.
Das Hessische Landessozialgericht bemüht folgende gedankliche Konstruktion: „Bei ganztägiger Pflege eines aufgrund einer cerebralen Schädigung psychisch gestörten Sohnes mit Übergewicht und Aggressivität können an die physischen und psychischen Kräfte seiner Pflegeperson (Vater) so hohe Anforderungen gestellt werden, daß selbst bei der engen familiären Beziehung zwischen Vater und Sohn ein Pflegedienstunternehmen der Wohlfahrtspflege im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 9, 2 Abs. 2 mit Versicherungsschutz durch die BG für Gesundheitsdienst anzunehmen ist.“ Tatsächlich handelt es sich hier rechtlich im letzten Fall um eine sogenannte gemischte Tätigkeit, und zwar von deren familiären Ansatz her einerseits und von deren pflegerischem Umfang anderseits her gesehen.
Ein klassisches Beispiel einer sogenannten gemischten Tätigkeit:
Ein Versicherungsvertreter fährt in die Nachbarstadt, um dort geschäftliche Abschlüsse zu tätigen und seine Freundin zu besuchen.
Nr. 10 „Personen, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften oder für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für die Tätigkeit teilnehmen.“
Als diskriminierend könnte empfunden werden, daß zu den nach Abs. 1 Nr. 10 privilegierten Institutionen weder die politischen Parteien noch die Gewerkschaften oder sonstige privatrechtlich organisierte Interessenvertretungen gehören sollen.
Kein Versicherungsschutz soll bestehen für ein Betriebsratsmitglied, das als ehrenamtliches Mitglied der Tarifkommission einer Gewerkschaft an überbetrieblichen Tarifverhandlungen mit dem Arbeitgeber teilnimmt, angeblich weder Versicherungsschutz nach Abs. 1 Nr. 1 noch nach Abs. 1 Nr. 10 und auch nicht nach Abs. 2 des SGB VII.
Bei den Tätigkeiten für politische Parteien wiederum kann sich der Versicherungsschutz gegebenenfalls aus Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 herleiten.
Allerdings sollen auf allgemeiner Übung beruhende geringfügige Betätigungen, die aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung erwartungsgemäß verrichtet werden, z.B. Ordnungsdienst bei Veranstaltungen einer politischen Partei, nicht unter Versicherungsschutz stehen.
Personen in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder
im Zivilschutz