Berufskrankheit, Asbeststaublungenerkrankung durch Asbeststaub und Asbest

B. Versicherungsfälle: Berufskrankheit und Arbeitsunfall


5.3.4 Die berufliche Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura, BK Nr. 4103

Asbesterkrankungen nach der Liste:

Hinweis: Die Liste ist in Ansehung der darin aufgenommenen Asbesterkrankungen durchaus nicht vollständig, wenn Sie an sonstige Krebserkrankungen des Nasen- und Rachenraumes, des Magen- und Darmtraktes, des Blutes usw. denken.

Wenn Sie im Tierversuch in eine Ratte Asbest injizieren, wandert der Asbest offenbar in nachgerade alle Körperteile. Es kommen Mehrfrontentumore vor. Womöglich ist deshalb kein Kraut etwa gegen das Asbestmesotheliom gewachsen.

Weiterer Hinweis: Die Stichtage der in der Liste enthaltenen Erweiterungen, z.B. Asbestlungenkrebs auch dann, wenn mindestens 25 Asbestfaserjahre nachgewiesen werden, Kehlkopfkrebs, wenn zusätzlich eine Minimalasbestose, eine Pleuraasbestose oder 25 sogenannte Asbestfaserjahre feststellbar sind, sind äußerst knapp gesetzt, sodaß gegenwärtig ein Asbestlungenkrebs, bei dem sogar 60 sogenannte Asbestfaserjahre bewiesen sind, nicht entschädigt wird gegenüber Witwe und Waisen, wenn der Versicherte vor dem 01.04.1988 verstorben ist.

Das Leid der beruflich Asbesterkrankten soll offenbar kein Ende nehmen. Nehmen wir an, Sie gehören zu den Hunderten gleichgelagerten Fällen, in denen man jährlich eine Asbestose der Lunge oder Pleura dem Grunde nach anerkennt. Was haben Sie davon, wenn die Berufsgenossenschaft dann aber die Gewährung einer Verletztenrente genau wie bei Ihren Hunderten von Leidensgenossen jährlich ablehnt. Ausgerechnet bei den schlimmen Fällen der Staublunge (Asbestose, Silikose) unterlassen die Berufsgenossenschaften mit gerichtlichem Segen die sogenannte abstrakte Schadensberechnung. Beim Vergleich der Erwerbsmöglichkeiten, die nach dem Auftreten der Asbestose auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dem Betroffenen verbleiben, dürften angeblich nicht die aus prophylaktischen Gründen entfallenen Arbeitsmöglichkeiten mitgezählt werden. Dieser Verlust an Erwerbsmöglichkeiten wäre nicht funktionsbedingt, sondern, wie dann das Sozialgericht Gelsenkirchen feststellt, sogar nur ein „künftiger“ Schaden. Angemerkt sei, daß in den 70er Jahren ein Bruch in der Berentung von Asbestosen und Silikosen einsetzte, wonach nunmehr eine früher im vergleichbaren Fall mit 70 % bewertete Asbestose „streng funktionsdiagnostisch“ nur noch 20 % betragen sollte. Ein früherer Staatlicher Gewerbearzt hat zu diesem Thema eingewandt, man habe doch früher auch funktionsdiagnostisch geurteilt. Die geringeren MdE-Sätze, die dieser Bruch in der Praxis zur Folge hatte, sind anders als die Berufsgenossenschaften glauben machen wollten, kein Erfolg der Berufskrankheitsverhütung, sondern ein solcher aus der Reduzierung der Leistungen in vergleichbaren Fällen. Aber zurück zur abstrakten Schadensberechnung.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie das Sozialgericht Gelsenkirchen sogar auf den Gedanken verfällt, es handele sich bei dem Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für den beginnend Asbestosekranken um einen „künftigen“ Schaden.

Hinweis: Bei der Verletztenrente aus Arbeitsunfall oder Berufskrankheit wird nicht ein konkreter
Verdienstausfall des Betroffenen ermittelt, sondern der Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, was dann den Prozentsatz der Rente im Wege der sogenannten abstrakten Schadensberechnung ergibt, BSG Band 1, Seite 174.

Daß eine im groben Röntgenbild bereits erkennbare Asbestose eine Krankheit ist, schlimmer etwa als ein Schnupfen, ist auf den ersten Blick erkennbar. Daß dann im Falle der Diagnose einer Asbestose nachgerade schlagartig alle Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entfallen, die mit einem inhalativen Risiko verbunden sind, nach Schätzung der IG Metall waren seinerzeit etwa 10 Millionen Arbeitsplätze in den alten Bundesländern inhalativ belastet, kann gerichtlich nicht geleugnet werden. Dies ergibt dann versicherungsrechtlich als gegenwärtiger abstrakter Erwerbsschaden zutreffender Ansicht nach die rentenberechtigende MdE. Man darf den Asbestoseerkrankten nicht der Gefahr von Luftnot und Erstickungsanfällen dadurch aussetzen, daß man diesen gedanklich im inhalativ belastenden Bereich der Arbeitswelt beläßt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert darüber hinaus wegen der drohenden Gefahr einer Verschlimmerung einen sogenannten Progredienzzuschlag bei der MdE bzw. beim Rentensatz, der sich sehr gut aus der psychischen Anspannung des Betroffenen, bei dem eine Asbestose ärztlich festgestellt wird, begründen läßt und auch daraus, daß kein Arbeitgeber mehr im gewerblichen Bereich einen Asbestoseerkrankten einstellen dürfte bzw. würde. In einem Gerichtsurteil, in welchem etwa die MdE trotz Bestehens einer Asbestose verneint wird, findet sich normalerweise keine Auseinandersetzung mit dem Hinweis im Merkblatt des Bundesministers für Arbeit, „Röntgenologisch nachweisbare Veränderungen der Lungenasbestose können im Vergleich zu den bestehenden Funktionsstörungen der Atmung und des Kreislaufs relativ geringgradig sein.“ Auch die Gutacher in einem Asbestosefall setzen sich hiermit in der Praxis nicht auseinander. Stattdessen wird auf eine schicksalhafte Atemwegserkrankung anderer Art abgehoben, die Luftnot des Betroffenen würde sich durch ein Bronchial Asthma erklären usw.

Tip: Stellen Sie in einem solchen Fall zugleich Antrag bei der Berufsgenossenschaft auf Anerkennung und Entschädigung eines Asthma Bronchiale nach Nummern 4301/4302, siehe dazu weiter unten. Wo Asbest anfiel bei der Arbeit, können sehr wohl auch allergisierende Stäube bzw. chemisch irritative oder toxische Belastungen stattgefunden haben.

Ist die Asbestose schon fortgeschrittener, hat also der Betroffene trotz aller Widrigkeiten wegen seiner Tätigkeit im Blauasbest eine Asbestoserente von 20 % erreicht, was etwa 20 % des erzielten Nettoeinkommens entspräche, so wird in der Praxis nicht eben selten die Verletztenrente des Asbestoseerkrankten auf diesem mageren Satz gewissermaßen eingefroren. Früher mochte die Regel bei der Asbestose dahin gehen, daß zunächst 20 % MdE erreicht wurden, dann 40 % und schließlich der Betroffene bei diesem Rentensatz verstarb.

Tip: Geben Sie sich nicht mit einem Rentensatz von 40 % zufrieden bei der Asbestose. Ihr Erwerbsschaden dürfte erheblich höher liegen, wenn man die frühere Praxis, mit der man dann brach, zugrunde legt. Erst ab 50 % MdE gilt bei der Asbestose die gesetzliche Vermutung, daß der Tod Asbestosefolge ist. Dies wirkt wie eine Lebensversicherung für Ihre Familie.

Eine Ausnahme besteht hiervon dann, wenn unabhängig von der Berufskrankheit der Betroffene offenkundig durch eine andere Ursache zu Tode kam, Brand des Hauses, Verbrechen oder ähnliches.

Hinweis: Die Berufsgenossenschaft muß Ihre Frau oder Ihre Kinder umfassend beraten in einem solchen Fall und sie von Rechts wegen darüber aufzuklären, daß bei Vorliegen einer MdE von 50 % im Fall Ihrer Asbestose die gesetzliche Vermutung des Todes als Berufskrankheitsfolge gilt und deshalb eine Obduktion nicht erforderlich ist.

Die Berufsgenossenschaften scheinen aber gar nicht daran zu denken, diese Beratung den betroffenen Familien zuteil werden zu lassen. Stellt also die unglückliche Witwe den Antrag, zum Nachweis der Todesfolge ihres 60 % asbestosekrank gewesenen Mannes eine Obduktion durchzuführen, erfolgt keineswegs der berufsgenossenschaftliche Hinweis, dies wäre doch wegen der gesetzlichen Vermutung nicht erforderlich, sondern man veranlaßt berufsgenossenschaftlich stillschweigend die Obduktion. Das Ergebnis kann sein, daß man nun berufsgenossenschaftlich einwendet, der Versicherte, der im Zustand höchster Atemnot ins Krankenhaus eingeliefert worden war, wäre nicht daran gestorben, sondern an einer Gehirnerweichung.

Tip: Schlagen Sie den Rechtsweg in einem solchen Fall ein, wenn es sich um Ihren Ehemann handelte.

Daß offenkundig die Berufskrankheit nicht einmal mitursächlich in einem solchen Fall gewesen sein soll, ist mit der praktischen Lebenserfahrung beim besten Willen nicht in Einklang zu bringen. Bei dem sogenannten Offenkundigkeitsbeweis gegen die Vermutung des Todes als Berufskrankheitsfolge hat der Gesetzgeber tatsächlich an offenkundige Fälle gedacht und nicht an derartige Einwände. Diese gesetzliche Vermutung wurde eingeführt, weil es im Ruhrgebiet Unruhe in der Bevölkerung auslöste, daß die Berufsgenossenschaft bei Bergleuten selbst im Falle einer hohen MdE des Betroffenen aufgrund der Silikose es sich angelegen sein ließ, wegen der Witwenrente die Obduktion oder Exhumierung des Betroffenen vermehrt zu verlangen. Heute erreicht der Asbestoseerkrankte in der Praxis oft nicht einmal mehr die 40 % Asbestoserente, bevor er stirbt, sondern blieb nicht eben selten bei den 20 % Asbestoserente stehen. In einem solchen Fall mögen dann 100 % MdE aufgrund der Asbestose festgestellt werden, wenn der Betroffene obduziert wird, der als Isolierer in seinem Berufsleben mit Blauasbest oder Weißasbest umgegangen ist. Die Witwe als Sonderrechtsnachfolgerin hat dann Anspruch auf rückwirkende Erhöhung der Lebzeitenrente, sowie gegebenenfalls auf ein rückwirkendes Pflegegeld und zugleich wegen der gesetzlichen Vermutung Anspruch auf die Hinterbliebenenleistungen, insbesondere die Witwenrente, die neben den beiden Waisenrenten von jeweils 20 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes 40 % von diesem Bruttojahresarbeitsverdienst beträgt. Sind Sie im laufenden Asbestosefall, Sie mögen bei 20 % Asbestoserente angelangt sein oder aus früherer Zeit eine solche von 70 % beziehen, zu schwach oder zu alt, sich weiteren Nachuntersuchungen zu unterziehen, laufen Sie Gefahr, aus der berufsgenossenschaftlichen Betreuung herauszufallen.

Vorsicht: Der Gutachter führt in einem solchen Fall aus, eine Nachuntersuchung wäre nicht mehr möglich, und der Berufskrankheitssachbearbeiter notiert in der Akte: „Keine NU (Anmerkung: Nachuntersuchung) mehr“.

Daß eine weitere regelmäßige Betreuung möglich wäre in Form des Hausbesuches durch den Außendienst der Berufsgenossenschaft oder einen Arzt und dann die jeweilige MdE sowie sonstige Leistungen festgestellt werden können, wird bei einer solchen berufsgenossenschaftlichen Praxis nicht berücksichtigt. Dergleichen passiert sogar in dem Fall eines Angehörigen einer Firma, die früher mit Asbest isolierte und es bei einer seinerzeitigen Durchschnittsbelegschaft von 50 Mitarbeitern inzwischen auf mehr als 50 berufsgenossenschaftlich anerkannte Todesfälle gebracht hat. Während in der Praxis ansonsten bei einer Asbestose 3- oder 2-jährige Nachuntersuchungsintervalle die Regel sind, wäre als das Mindeste zu fordern, daß solche Intervalle höchstens ein Jahr betragen dürfen.

Hinweis: Ehemalige Asbestwerker nehmen grundsätzlich an nachgehenden Überwachungs-untersuchungen teil. Jedenfalls ist dies so vorgesehen. Die Fälle sind bei der Erfassungsstelle der Textil-BG, Augsburg erfaßt. Ausgenommen davon sind Gastarbeiter, die in das Heimatland zurückgekehrt sind, und offenbar nicht selten Gastarbeiter, die in Deutschland blieben.

Bei fehlender Betreuung respektive unterlassener Schwerverletztenbetreuung werden so die Weiterungen einer Asbestose und deren gefährliche Komplikationen, Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Mesotheliom etwa sowie das schlimme Spätstadium einer Asbestose durchaus übersehen und vernachlässigt.

Tip: Bei einer Asbestose können Sie grundsätzlich unbesorgt einen Verschlimmerungsantrag bei der Berufsgenossenschaft stellen. Die „Gefahr“, daß sich Ihre Asbestose gebessert hätte und deshalb die Rente entzogen werden könnte, besteht nicht. Die Ärzte sind der Auffassung, daß sich eine Asbestose nicht bessern kann.

Mit ausgerechnet dieser Begründung hat eine Berufsgenossenschaft einem Asbestoserentner von 20 % MdE diesem die Gewährung einer Kur verweigert, eine Therapie wäre zwecklos.

Tip: Legen Sie in einem solchen Fall Widerspruch ein.

Die berufsgenossenschaftliche Klinik in Bad Reichenhall, die Kuren bei Asbestose durchführt, ist dem Vernehmen nach da ganz anderer Meinung. Selbstverständlich kann Ihre Asbestose durch die Gewährung einer Kur nicht gebessert werden, wohl kann aber Schlimmerem vorgebeugt werden oder dieses hinausgezögert werden, wenn durch die Kur Ihre Konstitution ansonsten gefestigt wird. Man kann Sie dann auch besser auf den Umgang mit Ihrer Asbestose einstellen. Sie sollten auf jeden Fall das Rauchen einstellen. Ansonsten erhöhen Sie womöglich Ihr Todesfallrisiko hinsichtlich der Komplikation des Lungenkrebs vom Zehnfachen auf mehr als das Fünfzigfache. Schwer durch Asbest belastete Arbeitnehmer erfahren oft nicht die Verschlimmerung im Sinne der Krebsentstehung, sondern sterben aufgrund der Lungensteife durch die Asbestose zuvor an Auszehrung. Alles dies mag belegen, wie wichtig es wäre, daß die Berufsgenossenschaft rechtzeitig, dies könnte sogar bedeuten „vorzeitig“ die Dinge angeht, und zwar im Interesse der Asbestopfer. Dazu beitragen kann die sogenannte Schwerverletztenbetreuung einer Berufsgenossenschaft, d.h. deren Außendienst.

Statistik:

Jährlich werden ca. 4.000 Asbestosen angezeigt. Die Zahl der neuen Rentenfälle geht auf die 500 jährlich zu. Daß jährlich „nur“ ca. 50 Asbestosen tödlich ausgehen laut Statistik, liegt an den Komplikationen dieser Erkrankung in Form des Lungenkrebs insbesondere, was schließlich zu 500 Todesfällen jährlich der BK 4104 führt.

5.3.5 Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Asbestfaserjahren, BK Nr. 4104

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