Berufskrankheitenentschädigung
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Was die Berufsgenossenschaft und mit ihr die Gutachter unterlassen, ist die Prüfung im Sinne einer sog. abstrakten Schadensberechnung, Anstellung eines Vergleichs vorher/nachher, in welchem Umfang durch die festgestellte Silikose Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entfallen sind.
Diese Prüfung schreibt nunmehr das Gesetz sogar selbst zwingend vor, § 56 Abs. 2 SGB VII.
Frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, daß aus prophylaktischem Ansatz entfallende Arbeitsplätze bei Feststellung einer MdE für eine entstandene Silikose nicht mitzuberücksichtigen wären, sind aufgrund der Fassung des Sozialgesetzbuches VII, hier § 56 Abs. 2 SGB VII überholt.
Zum Beweis dessen wird der Gesetzeswortlaut an dieser Stelle wörtlich wiedergegeben.
§ 56 Abs. 2 SGB lautet im ersten Satz wie folgt:
„Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.“
D.h., nach dem Gesetz ist in erster Stufe zu prüfen, ob eine körperliche Beeinträchtigung vorliegt.
Eine Silikose stellt eine Vernarbung dar, und zwar in der Lunge, die dadurch versteift ist.
In der zweiten Stufe stellt sich dann die Frage nach der Verminderung der Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Nach Zählungen der IG-Metall war seinerzeit für die alten Bundesländer festzustellen, daß 9 Mio. Arbeitsplätze atemwegsbelastet waren.
Diese Erwerbsmöglichkeiten entsprechend belasteter Art entfallen für einen Bergmann, bei dem eine Silikose festgestellt ist.
Daraus errechnet sich dann nach der zwingenden Vorgabe des Gesetzes der Rentensatz.
Ergibt die MdE einen Satz von 20 % (Einstiegssatz), entspricht das grob gesagt 20 % des Nettoeinkommens, das jährlich zu dynamisieren ist entsprechend den Rentenanpassungsgesetzen und -verordnungen.
Diese Leistungen setzen einen konkreten Verdienstausfall nicht voraus, weil abstrakte Schadensberechnung, und sind steuerfrei.
Offenbar aus Kostengründen wurde berufsgenossenschaftlich die Anerkennung und Entschädigung von Silikosen außerordentlich restriktiv gehandhabt, obwohl in keinem Fall der Röntgenbefund einer Silikose dem klinischen Bild entspricht, das sehr viel schlimmer ausfallen kann.
Aber nicht nur in den jährlichen 1.500 Silikosefällen, die nur dem Grunde nach anerkannt werden, wird die Entschädigung zu Unrecht abgelehnt.
Auch die berenteten Silikosen werden mit zu niedrigen Rentensätzen bedacht, indem man immer wieder berufsgenossenschaftlich versucht, die Obstruktionen in den Atemwegen als schicksalhaft hinzustellen.
Selbst die Erweiterung der Berufskrankheitenliste um die Fälle der Berufskrankheit 4111 (chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren) hat für die Bergleute der ersten Stunde und der 50er, 60er, 70er Jahre keine Erleichterung gebracht.
Denn Fälle aus der Vorzeit vor der Erweiterung der Berufskrankheitenliste zum 01.01.1993 werden nicht entschädigt.
Die Berufsgenossenschaft prüft also, ob die chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem schon vor dem Stichtag aufgetreten ist, also bereits in 1992 oder früher, und lehnt mit dieser Begründung die berufsgenossenschaftliche Entschädigung auch dann ab, wenn der Versicherte etwa 150 Feinstaubjahre entsprechender Art aufweist.
Freiwillig prüft die Berufsgenossenschaft in solchen Fällen nicht, ob denn dann nicht wenigstens eine Berufskrankheit Nr. 4301/4302 festzustellen ist.
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