Berufskrankheit, Quarzstaublungenerkrankungen, Silikose und Lugentuberklose

B. Versicherungsfälle: Berufskrankheit und Arbeitsunfall


5.3.3 Die Quarzstaublungenerkrankung (Silikose), BK Nr. 4101, und die Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose (Silikotuberkulose), BK Nr. 4102

Bei dieser Staublungenerkrankung denkt man zunächst an die Bergleute, die dann auch oft genug an der Staublunge erkranken. Gefährdet sind also die Bergleute. Nicht so bekannt scheint zu sein, daß Gießereiarbeiter und Sandstrahler ungleich höher belastet sein konnten als Bergleute. Ein technischer Aufsichtsbeamter einer Berufsgenossenschaft rechnete vergleichsweise bei 3 Jahren Sandstrahlen ohne Atemschutz mit einer Belastung, wofür Sie im Bergbau 120 Jahre gebraucht hätten. Man beobachtet vor allem die chronische Silikose, die sich über Jahrzehnte entwickeln kann. Die Silikose kann auch nach Beendigung der gefährlichen Arbeit fortschreiten. Bei sehr hoher Quarzstaubexposition kann sich eine akute Silikose sehr rasch entwickeln. Das Spätstadium von Silikosen der Gußputzer und Sandstrahler wird nicht selben übersehen, weil die Betroffenen durch die Silikose zu schwach sind, an weiteren Untersuchungen teilzunehmen.

Vorsicht: Schwere Fälle laufen im Spätstadium Gefahr, so aus den berufsgenossenschaftlichen Nachuntersuchungsintervallen herauszufallen.

Die silikotischen Vernarbungen können zu einem Narbenkarzinom führen, so daß dann der Lungenkrebs mit der Silikose im Sinne des Narbenkarzinoms in Zusammenhang steht. Voraussetzung ist nach der Fachliteratur, daß Ausgangspunkt des Tumors eine silikotische Schwiele, eine silikotisch verursachte Kaverne, ein Lungenbezirk mit zahlreichen silikotischen Knötchen oder eine tuberkulöse Zerfallshöhle festgestellt wird.

Fall: Selbst geringe silikotische Veränderungen ohne unmittelbare Einschränkungen von Atmung oder Kreislauf können die Entschädigungspflicht auslösen, wenn sie nachweislich einen Bronchialkrebs verursacht haben, der seinerseits zu Funktionseinschränkungen führt.

Bei der Silikose wirkt erst eine MdE von 50 % wie eine Lebensversicherung, weil dann im Todesfall der Tod als Berufskrankheitsfolge gilt.

Tip: Geben Sie sich deshalb nicht mit 40 % bei Ihrer Silikose zufrieden.

Würde in der Entschädigungspraxis tatsächlich die abstrakte Schadensberechnung ernst genommen, also ermittelt, wie viele Arbeitsplätze Ihnen infolge Ihrer Silikose verschlossen sind, dürften Sie ebenfalls auf diesem Wege auf 50 % kommen können. Die gesetzliche Vermutung, daß der Tod Berufskrankheitsfolge ist, wenn eine MdE von 50 % erreicht ist, gilt nur dann nicht, wenn offenkundig das Gegenteil der Fall ist. Beispiele können hier sein, Ihr Hotel brennt ab, Sie fallen einem Überfall zum Opfer, oder ähnliches. Gleichwohl versucht man berufsgenossenschaftlich offenbar, den Offenkundigkeitsbeweis zu strapazieren. Stirbt der Erkrankte schließlich an Herzversagen, so wendet der BG-Gutachter nicht selten ein, dies wäre unabhängig von der Silikose zu sehen.

Tip: Legen Sie unbedingt als Witwe Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Berufsgenossenschaft ein.

In Wahrheit kann die Berufsgenossenschaft den Beweis nicht erbringen, daß die Silikose offenkundig nicht einmal mitursächlich für das Herzversagen wurde und dieses nicht begünstigte. Denn bei einer Silikose wird ausdrücklich die Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauffunktion berentet. Leichenausgrabungen und Obduktionen zur Führung eines Offenkundigkeitsbeweises gegen die Berufskrankheitsfolge dürfen nicht gefordert werden.

Tip: Lassen Sie sich vor der Zustimmung zu einer Obduktion beraten.

Hier hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben, weil solche berufsgenossenschaftlichen Ansinnen seinerzeit im Ruhrgebiet für Unruhe in der Bevölkerung sorgten.

Fall: Sie sind die Witwe eines Silikosekranken, der bei einer MdE von 80 % für die Silikose verstarb. Die Berufsgenossenschaft unterrichtet Sie nicht darüber, daß der Tod nach der gesetzlichen Vermutung als Silikosefolge gilt, und veranlaßt die Obduktion Ihres Mannes. Es ergeht ein berufsgenossenschaftlicher Ablehnungsbescheid mit der Begründung, unabhängig von der Silikose wäre Ihr Mann einem Herzinfarkt erlegen.

Bilden Sie sich selbst eine Meinung, ob man der Berufsgenossenschaft dies durchgehen lassen darf, vom Verfahren und vom Ergebnis her gesehen. Auf jeden Fall sollten Sie in diesem Fall den Rechtsweg einschlagen und Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid erheben. Denn die Beweislast liegt in einem solchen Fall nicht bei Ihnen, sondern bei der Berufsgenossenschaft. In der Entschädigungspraxis wurden bei der MdE-Festsetzung in den 70er Jahren offenbar die Zügel angezogen. Zustände, die seinerzeit röntgenologisch und funktionsdiagnostisch mit 70 % MdE bewertet wurden, können heute in „streng funktionsdiagnostischer Beurteilung“ eine MdE von angeblich „wohlwollenden 20 %“ erfahren. Allerdings haben auch früher die Gewerbeärzte gewußt, was eine MdE ist. Die MdE bei einer Siliko-Tuberkulose dürfte 100 % ausmachen genau wie in dem Fall einer Komplikation der Silikose in Verbindung mit Lungenkrebs (Narbenkarzinom). Ist die Silikose etwa von 30 % wesentlich mitursächlich für den Todeseintritt, braucht die Witwe nicht nachzuweisen, daß sich die vermutliche Lebensdauer ihres Mannes um mindestens ein Jahr durch die Silikose verkürzt hätte. Diese Formel ist eine absolute Hilfsüberlegung, die nur dann Platz greift, wenn nicht anderweitig die Mitursächlichkeit der Silikose für den Todeseintritt feststellbar ist.

Frage: Wie beurteilen Sie den Fall nach Ihrer praktischen Lebenserfahrung, wenn die Silikose die vermutliche Lebensdauer „nur“ um 1/2 Jahr verkürzt hat?

Statistik:

Durchschnittlich werden jährlich ca. 3.000 Silikosen gemeldet und an die 400 Silikosen jährlich neu berentet. Die Fälle tödlicher Silikosen liegen bei ca. 500 Fällen jährlich. Die Entwicklung der Fälle heimgekehrter ausländischer Gastarbeiter ist nicht bekannt.

 5.3.4 Die berufliche Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura, BK Nr. 4103

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