1.2.1 Der Katalog der versicherten Personen nach § 2 I SGB VII
Nr. 1 „Beschäftigte“ (z.B. Arbeiter, Angestellte, Auszubildende)
Beschäftigte im bezeichneten Sinne, also insbesondere die Arbeiter und Angestellten, sind kraft Gesetzes gegen Arbeitsunfall, Wegeunfall, Berufskrankheit versichert. Während es bislang in der Reichsversicherungsordnung hieß, versichert nach § 539 I Nr. 1 RVO sind die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten, hat man den versicherten Personenkreis in der Nr. 1 der Neufassung des Kataloges der versicherten Personen (§ 2 I Nr. 1 SGB VII) nunmehr als „Beschäftigte“ definiert.
Hier nun fangen die Widersprüche in der Begriffsbestimmung an. Beschäftigt mit einer Arbeit ist nicht nur der Angestellte oder Arbeiter, sondern auch der Selbständige. Der Selbständige ist aber wiederum hier nicht erfaßt. Beschäftigung soll nach § 7 SGB IV die nichtselbständige Arbeit sein, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Vor allen Dingen unter dem Aspekt, daß nach Lauterbach Anmerkung 4 zu § 2 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bestimmte Personen, sondern Tätigkeiten versichert sein sollen, erweist sich der aufgezeigte Widerspruch als bedeutsam, daß selbständige Beschäftigungen vom Versicherungsschutz hier ausgeschlossen werden, d.h. an der Hauptstelle des Kataloges der versicherten Tätigkeiten. Denn wenn man an die Tätigkeit anknüpft, so muß man dem grundsätzlich bzw. oft unversicherten Unternehmer, der andererseits Beiträge für seine Mitarbeiter an die Berufsgenossenschaft zahlt, einräumen, daß dieser doch auch eine Tätigkeit ausübt, nämlich genau eine Arbeitstätigkeit, und er mit dieser Arbeitstätigkeit beschäftigt ist. Dieser Personenkreis ist allerdings nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht gemeint, wenn es in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII „Beschäftigte“ heißt. Die Tatsache, daß Unternehmer unversichert sind und von der gesetzlichen Unfallversicherung insofern ausgenommen, d.h. ohne Versicherungsschutz dastehen, kann sozialpolitisch nicht befriedigen, schon deshalb nicht, weil diese Unternehmer sehr wohl Mitglied der Berufsgenossenschaft sein können und müssen.
Hinweis: Der Versicherungsschutz des Arbeiters hängt nicht davon ab, ob sein Lohn bezahlt ist oder der Unternehmer dieserhalb Beitragsrückstände bei der Berufsgenossenschaft hat.
Wer in einem Lehr- bzw. Ausbildungsverhältnis steht, fällt nicht unter die Nr. 2 des § 2 SGB VII, sondern ebenfalls unter die Nr. 1 als „Beschäftigter“. Sinn und Zweck der Nr. 2 ist es, „Lernende“ während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen möglichst umfassend unter Versicherungsschutz zu stellen. Nach Bundessozialgericht, BSGE 43, 60, 62 soll die Bestimmung der Berufsbezogenheit hinsichtlich der Aus- und Fortbildung weit auszulegen sein. Wenn hier das Wort Auslegung fällt, sei dazu ein allgemeingültiger Hinweis genannt.
Tip: Führen Sie immer bei Auslegungsfragen die zentrale Auslegungsvorschrift des Sozialgesetzbuches
§ 2 II SGB I an, weil diese vom zwingenden gesetzlichen Wortlaut her für Sie extrem günstig gestaltet ist.
Der Gesetzgeber gibt wörtlich für die Auslegung durch das Gericht und durch die Berufsgenossenschaft vor:
„Die nachfolgenden sozialen Rechte sind bei der Auslegung der Vorschriften dieses
Gesetzbuches und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die
sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.“
In § 4 SGB I ist die gesetzliche Unfallversicherung ausdrücklich erwähnt. Die Auslegungspraxis der Berufsgenossenschaften und der Sozialgerichtsbarkeit fühlt sich auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung allerdings nicht dieser gleichwohl zwingenden Auslegungsvorschrift verpflichtet, die zu Ihren Gunsten geschaffen wurde.
Hinweis: Selbst wenn Sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht auf die Auslegungs-vorschrift hinweisen, finden Sie in den Urteilsgründen des Gerichts trotzdem keine
Auseinandersetzung mit dieser Vorschrift. Dies würde nicht zum Ergebnis passen, wo man doch die strengen Regeln des Berufskrankheitenrechts etwa betont oder den sogenannten Strengbeweis strapaziert.
Ein Sozialgericht, das gezwungen war, sich mit dieser Auslegungsvorschrift zu befassen, erklärte die Auslegungsvorschrift des § 2 II SGB I kurzerhand zu einem wörtlich „verunglückten Programmsatz“ des Gesetzgebers. Bilden Sie sich selbst Ihre Meinung zu dieser richterlichen Auffassung, die weiß Gott nicht selten in der Sache anzutreffen ist.
Aber zurück zum Katalog der versicherten Personen. Im Zusammenhang mit der Nr. 2 des Kataloges im Sozialgesetzbuch VII zur Unfallversicherung § 2 I Nr. 2 „Lernende“ sollte ebenfalls die Nr. 8a des Katalogs in den Blick gerückt werden, weil hier an versicherten Personen die Schüler bezeichnet sind sowie die Studierenden, dann aber auch die Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen.
Personen bei Tauglichkeits- oder Überwachungsuntersuchungen
Behinderte in anerkannten Werkstätten für Behinderte usw.
Personen in der Landwirtschaft:
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens und
mitarbeitende Ehegatten
Im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend
mitarbeitende Familienangehörige
Im landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital-
oder Personenhandelsgesellschaft regelmäßig wie Unternehmer
selbständig tätige Personen
Ehrenamtlich tätige Personen in Unternehmen, die der Sicherung,
Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft dienen